Investmentbanker sind Kriminelle, sagt Altkanzler Helmut Schmidt

von: Ralf Heß

Gut gebrüllt, alter Löwe! Helmut Schmidt hat mal wieder allen gewaltig den Marsch geblasen. Die Deutsche Bank sei keine deutsche Bank mehr und dies sei Merkels Problem. So hat Helmut Schmidt einen Artikel von sich überschrieben, der kürzlich in der Zeit erschienenen ist. Angesichts der Dinge, die in den vergangenen drei Jahren an die Öffentlichkeit geraten sind, sicherlich eine wahre Feststellung. Interessant an dieser Sache ist allerdings nicht, dass Helmut Schmidt in seiner unnachahmlichen Weise mal wieder auf den Tisch gehauen und der Politik die Leviten gelesen hat. Denn dies tut er in schöner Regelmäßigkeit. Interessant an seinem Artikel ist vielmehr, welche impliziten Schlussfolgerungen er diesmal aus seiner Analyse der gesellschaftlichen Zustände zieht. Denn ganz offensichtlich stellt er sich die Frage, warum nicht zumindest Teile der Elite dieses Landes entweder vor Gericht gestellt oder anderweitig entmachtet werden. Eine Frage, die seit einiger Zeit zwar gelegentlich aufgeworfen wird – allerdings seltener bislang von deutschen Ex-Kanzlern.

Das Vertrauen der öffentlichen Meinung und des Publikums in die Finanzbranche insgesamt sei, so Schmidt, in den letzten Jahren stark gesunken. Im weiteren Verlauf dieses Teils seines Artikels beginnt er dann damit, die Menschen in drei unterschiedliche Kategorien einzuteilen. Die erste sei dabei der „normale Mensch“. Menschen also, die als Kind irgendwann einmal Äpfel gestohlen hätten und trotzdem anständige Kerle geworden seien. Die zweite Kategorie seien die Menschen mit einer kriminellen Ader. Sie gehörten vor Gericht und nach ihrer Aburteilung in ein Gefängnis.

 Bis dahin nichts besonders erstaunliches. Die dritte Kategorie allerdings lässt aufhorchen. Diese Kategorie nun sei die Kategorie der Investmentbanker und Fondsmanager. Dabei lässt er offen, wie er diesen Personenkreis juristisch oder soziokriminologisch einordnen würde. Ein Umstand, der durchaus Schade ist. Denn gerade diese Antwort wäre für die Beurteilung von Bank- oder Fondsmanager sicherlich sehr erhellend. Nur eines sagt er bezüglich deren kriminellen Aktivitäten: der Typus des Finanzmanagers habe uns „in die Scheiße geritten“ und sei nun schon wieder dabei, alles genau so zu machen, wie es bis 2007 gang und gäbe gewesen sei.

 Damit jedoch hat Helmut Schmidt nicht einfach nur einem bestimmten Teil der Gesellschaft gesagt was er von ihm hält. Vielmehr hat er damit eine Frage aufgeworfen, von der geglaubt wurde, sie sei 1989 beantwortet worden. Die Frage nämlich, nach den Verantwortlichkeiten der einzelnen sozialen Schichten für die Gesellschaft.

 Wie nun also ist diese dritte Kategorie der Menschheit juristisch und soziokriminologisch einzuordnen? Da stellt sich zunächst einmal die Frage: Sind Investmentbanker grundsätzlich Kriminelle? Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten. Grundsätzlich jedoch muss festgehalten werden: Ganoven und Verbrecher werden in der Bundesrepublik Deutschland vom Staatsanwalt verfolgt und angeklagt. Sicherlich hat es in der Vergangenheit immer wieder aufsehenerregende Fälle gegeben, bei denen Investmentbanker oder andere führende Manager der deutschen Wirtschaft wegen Verbrechen angeklagt wurden, die sie im Zuge ihrer Tätigkeit als Manager verübt haben. Die Tätigkeit als solche allerdings allein reicht bislang noch nicht aus um vom Staatsanwalt verfolgt zu werden – auch wenn dies gelegentlich vom ein oder anderen bedauert werden sollte.

 Trotzdem, sowohl bei Schmidt, als auch bei vielen Anderen, entstand in der jüngeren Vergangenheit der Eindruck, dass das, was in den oben genannten Schaltzentralen passiert, nach dem allgemeinen und gesunden Menschenverstand kriminell sei. Möglicherweise muss die Beantwortung der Frage nach der kriminellen Aktivität der Bank- und Fondsmanager also auf einer anderen, als der juristischen Ebene beantwortet werden. Der Ebene der Verteilung der volkswirtschaftlichen Güter. Da kann, zumindest gefühlt, festgehalten werden, dass es in der jüngeren Vergangenheit zu einer grundsätzlichen Umsteuerung bei der Verteilung der Güter gekommen ist. So hat die Einführung von Hartz-IV dafür gesorgt, dass zumindest bei Arbeitslosen die Einnahmen deutlich gesenkt wurden. Darüber hinaus wurden im Zuge dieser Reform die Steuerabgaben ebenfalls deutlich gesenkt. Insbesondere im Bereich der Kapitalsteuer, die gänzlich abgeschafft und durch die deutlich niedrigere Abgeltungssteuer ersetzt wurde, wurde eine bedeutende Entlastung geschaffen. Angesichts dieser Entwicklung und der damit einhergehenden Entstehung einer immer größer werdenden Unterschicht, kann zumindest aus einer sozialen Perspektive durchaus von kriminellen Aktivitäten gesprochen werden. Insbesondere, wenn die dauerhafte Beleidigung und Demütigung dieser so erzeugten Hartz-IV-Schicht als faul und arbeitsscheu hinzugezogen wird. Denn eines ist doch klar: eine Abschaffung der Kapitalsteuer kommt ausschließlich den Besitzern von großem Kapital zugute und nicht, wie immer wieder behauptet wurde und wird, der Allgemeinheit. Ein Umstand, der auch dem Dümmsten auf den ersten Blick sofort einleuchten muss.

 Kommen wir damit nun zur Frage, wie mit dieser Gruppe nun umgegangen werden soll? Diese Frage ist bei weitem am schwersten zu beantworten. Denn eines leuchtet auf den ersten Blick ein. Das, was einmal umverteilt wurde und nun im Besitz der Elite oder auch der führenden Klasse dieses Landes ist, wird nicht ohne Widerstand wieder hergegeben werden. Wenn nun jedoch ein größerer Teil der Bevölkerung eine Rückgabe der umverteilten Gelder fordern würde, stünde Helmut Schmidt dann an der Seite derer, die diese Forderung aufstellen würden? Oder fänden sich die „Empörten“ Bürger dann allein wieder, Aug in Aug mit einem Wasserwerfer oder noch härterem „politischem Gerät“?

 Helmut Schmidt hat sicherlich gut gebrüllt und es ist erfreulich, dass es zumindest noch Teile einer Elite gibt die eine tiefere Einsicht in die derzeitigen Zustände dieser Republik haben. Trotzdem bleibt: In den führenden Etagen hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren mehr und mehr die Überzeugung breit gemacht, dass es für Kapitalbesitzer, Manager und auch Politiker keine Grenzen gibt. Gewinne werden privatisiert und für die Verluste kommt der Pöbel auf. Eine Politik, die die Staatsfinanzen und damit einhergehend die Einkünfte der „normal“ arbeitenden Bevölkerung immer mehr aufs Spiel setzt. Angesichts der finanziellen Situation Amerikas, Europas und Deutschlands ist es daher nur noch eine Frage der Zeit, bis auch hier ähnlich drastische Einsparungen, wie sie derzeit Griechenland, Irland oder Großbritannien erleben, durchgesetzt werden müssen. Die Frage nach der neuen Verteilung der dann vorhandenen volkswirtschaftlichen Güter wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach bald stellen. Wie sie allerdings beantwortet werden wird, wird sich zeigen müssen. Aber ein Blick auf die bisherigen Umverteilungskämpfe dieser Krise in Griechenland, Irland oder Großbritannien zeigt, dass die Diskussion durchaus rauer werden kann. Ein Umstand, dem sich das empört diskutierende deutsche Philosophen- und Bürgertum stellen sollte, bevor auf die übliche bundesrepublikanische Diskussionsveranstaltung im vorgewärmten Sitzungssaal spekuliert wird. Denn die Proteste in Stuttgart und die Reaktion der eingesessenen Elite hat eindrücklich gezeigt, dass man nicht gewillt ist, sich freiwillig von seinen Privilegien zu verabschieden.

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